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Die Invasion der Pappfiguren

Alles begann ganz harmlos und geordnet. Max, Fürst Ottokar und Agathe stellten sich nach ihrem Auftritt geduldig ins Regal und bereiteten sich dort mit wenig Aufsehen auf ihren nächsten Einsatz vor. Ein Fach darunter zogen dann Tamino, Pamina und Papageno ein. Doch mit der Zeit wurden sie mehr – viel mehr. Sie krochen aus ihren Regalen, schlichen sich die Treppe hinauf, eroberten das Haus. Weder der große Tisch im Arbeitszimmer noch der Lasercutter waren vor ihnen sicher. Das Gästebett wurde zur Bühne. Zwischen Kissen und Decken posierten sie wie auf einem Festbankett, als warteten sie auf den Applaus eines unsichtbaren Publikums.



Die Figuren hatten das Haus übernommen – kleine Operndiven mit ausladenden Kleidern, galante Herren mit verschmitztem Blick, Tänzerinnen in ewiger Pirouette. Sie standen da, als gehörte ihnen die Welt.

Doch irgendwann war oft die ganze Nacht hindurch ein ständiges Getuschel und Gezeter vernehmbar. Die Königin der Nacht begann einen Zickenkrieg mit Aida.

Der stolze Holländer gar, der sich mit Senta einen Sonnenplatz gesichert hatte, musste irgendwann feststellen, dass nicht nur sein Herz für Senta, sondern gleichzeitig auch sein Figurenschieber dahinschmolz.

So war eines Tages Schluss. Die Entscheidung fiel leise, aber endgültig. Der Marsch begann – nicht triumphal, sondern mit dem leisen Knirschen alter Treppenstufen. Eine Figur nach der anderen wurde vorsichtig in den neu gestrichenen Kellerraum transportiert, der fortan ihre neue Heimat war. Jedes Opern-Ensemble residiert jetzt in einem eigenen Regal, ein Luftentfeuchter sorgt für die konstante Lufttemperatur, in dem sich unsere kleinen Akteure wohlfühlen.

Der Keller ist kein Exil. Er ist ein Backstage-Bereich.

Manchmal, wenn die Nacht sich senkt und das Haus zur Ruhe kommt, beginnt die Probe. Die Diva hebt ihr Kinn, der Tenor räuspert sich, der Chor summt sich ein.

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